In Saigon arbeiten. Traum oder Albtraum?

Wie das Arbeitsleben in London ist, habt ihr bereits hier erfahren. Nun ist es an der Zeit einiges über meine Arbeit in Asien zu lesen. Ja, ich habe neben essen, shoppen, feiern und reisen auch gearbeitet. Man kann es fast gar nicht glauben!

In Saigon zu arbeiten ist das ganz krasse Gegenteil zu London und München. Vielleicht liegt es an der südvietnamesischen Einstellung, vielleicht auch an der Hitze. Das Motto hier lautet „Was du heute kannst besorgen, das kannst du auch morgen!“. Wenn also etwas nicht soooo dringend ist, das kannst du morgen oder auch übermorgen machen. Setz dich lieber hin, iss ne Mango und chill Mai!

ICS Travel ist einer der größten DMCs Asiens und hat seinen Fokus auf Südostasien gelegt. Gruppenreisen, FITs und Mice sind so die gängigen Zielgruppen und mein Aufgabenbereich war Customer Relations. Also alles was mit Kunden im Land zu tun hat. Wenn also Herr Müller im Intercontinental Asiana Saigon eincheckt, rufe ich Ihn an und heiße Ihn willkommen. Wenn Frau Müller umbuchen möchte, oder sich beschwert, bin ich Ihre Ansprechpartnerin. Weitere Aufgaben sind Feedbackbögen auswerten, Beschwerden zusammentragen und mit der Flugabteilung telefonieren.

Und das alles in Vietnamesisch. Für jemand, der nur mit den Eltern Vietnamesisch redet und nie zur Sonntagsschule gegangen ist (sowas gibt es bei uns im Saarland leider nicht), war mein Vietnamesisch nicht besonders schlecht, aber auch nicht hervorragend. Ich habe doch einen starken deutschen Akkzent 🙁

Anfangs traute ich mich nie Vietnamesisch zu reden, da ich Angst hatte, dass mich keiner versteht. Es gibt ein Wort, dass mein Vietnamesisch beschreibt und zwar „Nong“ (stimmt das überhaupt?)“. Man kann es mit „starr“ übersetzen, da meine Betonung nicht hundertprozentig ist. Hallo? Wir haben 7 Tonlagen und da soll ich die Richtige treffen? Excuse Me?

Nach meiner anfänglichen Angst, wurde ich doch von meinen Kolleginnen bestärkt und traute mich etwas mehr Vietnamesisch zu sprechen. Es wurden Sprüche gelernt, Witze gerissen und Fluchen gelernt. Ja gegen Ende meines Aufenthaltes war mein Vietnamesisch einigermaßen gut, sodass ich auch mal was im Fernsehen verstand und mit meiner Oma über die Tagesschau diskutieren konnte. Meine Oma ist sowieso die liebste Oma der Welt. Denn welche 83-Jährige Oma öffnet dir ohne Murren um 2 Uhr morgens die Tür und lässt dich in dein Haus? Ok, vielleicht sollte ich einfach nicht mehr so oft und so lange ausgehen, aber was kann ich dafür, dass die die Tür von Ihnen verriegeln, sodass ich nicht ohne Hilfe reinkomme? 

familie dang
Cool, cooler, Oma 🙂

In Saigon hatte ich flexible Arbeitszeiten. Ich musste nur spätestens um 9 im Büro sein und meine 8 Stunden abarbeiten. Da die Vietnamesen Frühaufsteher sind, fangen die meisten bereits um 8 Uhr an . So passte ich mich an, und machte mich bereits gegen 7.15 – 7.30Uhr auf den Weg zur Arbeit. Laut Googlemaps sind es nur 6 Minuten Fahrzeit, jedoch nicht zur Rush Hour. Hier bewegt man sich im Schneckentempo, da man wirklich an jeder Ampel im Stau steht. Auch wenn ich Abkürzungen benutze, brauchte ich mindestens 20 Minuten bis ich im Büro war. Abends waren es dann mal 30 Minuten 🙁

Von der Arbeit bekam ich ein Zimmer gestellt, das direkt im zweiten Bürogebäude lag. Ich musste praktischerweise nur die Treppe nach unten gehen, an der Buchhaltung vorbei und über den Hof, um zur Arbeit zu kommen. Im ersten Monat traute ich mich noch nicht Roller zu fahren, sodass ich meine Familie nur am Wochenende besuchen konnte. Doch nachdem ich fahren gelernt und einen eigenen super süßen Roller ausgeliehen habe, pendelte ich zwischen meiner Oma im Distrikt 3 und der Arbeit. In der unteren Karte seht ihr die Nachbarschaft meiner Oma „Cau Thi Nghe“ und meine Arbeitsstelle „Tran Nhat Duat“. 

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3 Kilometer um halb 8 auf der Hauptstraße Nguyen Thi Minh Khai sind kein Spaß. Die Sonne brennt dir ins Gesicht, weswegen ich mir den Ninja Stil angeeignet habe: Mundschutz, Cardigan und einen Rock, den ich über mein Kleid oder Jeans legte, damit meine Beine nicht verbrennen. Ohja, ich war ein toller Saigon Ninja 🙂

Ninja Style

In Vietnam gibt es einen besonderen Beruf, den es nirgendswo in dieser Form gibt: Parkplatz/Rollerwächter. Auf 9 Millionen Saigonesen kommen genauso viele Roller. Diese dienen als Autoersatz und sind das Wertvollste, was eine Familie haben kann. Der Roller bringt dich von A nach B, transportiert ganze Familien, Tiere und Kühlschränke. So ein Roller kann schon mal um die 1000 USD kosten, somit ganze drei Monatsgehälter eines Einheimischen. Dies lockt natürlich auch Langfinger an Land und es kommt sehr oft zu Diebstählen (auch im großen Stil). Besonders beliebt sind Vespa Roller, die mit über 3000 USD nicht günstig sind. Wenn man also einkaufen oder essen geht, stellt man seinen Roller in einem Parkhaus oder auf einem öffentlichen Parkplatz ab und zieht eine Nummer. Seinen Roller muss man meist selbst parken und auch wieder rausziehen. Klingt einfach, aber ist schwerer wie man denkt. Versuch du mal 90 kg anzuheben und aus einer ganz engen Lücke zu ziehen. Tjaaaaaa! Da guckst du aber dumm aus der Wäsche!

parkplatz

Da wir eine mittelgroße Firma sind, haben wir auch viele Roller. Zwei Parkwächter und zwei Hunde passen Tag und Nacht auf die Roller und das Büro auf, denn Einbruch steht hier an der Tagesordnung.Ich verstand mich sehr gut mit unseren Wächtern, die mir auch ab und zu beim Rollerfahren halfen. Oder meinen Roller ausparkten. Oder mich mit dem neusten Klatsch und Tratsch versorgten. Ach meine netten Onkels, die ich wahnsinnig vermisse. Wie es Ihnen wohl allen geht?

Ich bin Teo, hab mich lieb

In Saigon tickt die Uhr anders. Hier arbeitet man, um zu leben und leben können die Vietnamesen gut. 

Es fängt bereits morgens mit dem Frühstück an, wenn man seine mitgebrachten Sachen untereinander teilt. Dann gibt es noch unsere drei tollen Damen, die uns jederzeit mit frischen Früchten, Snacks und Getränken versorgen. Papaya um 11? Ein süßer Avocadosmoothie für 1 €? Alles kein Problem für die Lunch Ladies! Definitiv ein Service, den man hier in Deutschland einführen sollte!

Custardapple Smoothie

Außerdem sollte man die tägliche Siesta einführen, denn diese stärkt und motiviert. Die vietnamesische Siesta beginnt jeden Tag um 12 Uhr und dauert bis ca. 13 Uhr 30. Zuallererst isst man zu Mittag (15 – 30 Minuten), natürlich lässt man sich das Essen liefern – ist ja klar – und macht anschließend einen einstündigen Mittagschlaf. Im Büro.  Dazu werden Stühle zur Seite geräumt, Bambusmatten und Kissen ausgerollt und nebeneinander hingelegt. Das Licht wird ausgeschaltet und nur die Klimaanlage summt. Unvorstellbar? Nein! Ein Traum! Wer wünscht sich manchmal nach dem Mittagessen ein Nickerchen? In Vietnam ist das Pflicht!

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Meine Zeit in Saigon war unglaublich und sehr lehrreich. Ich kann es jedem nur ans Herz legen nach Asien zu reisen und dort nicht nur zu urlauben, sondern auch zu arbeiten. Ich habe dort eine wahnsinnig gute Zeit verbracht und möchte diese auch nicht missen.

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