Ich sitze gerade in meinem Strandbungalow auf Bali und bin von heute morgen noch immer emotional aufgebracht.
Eigentlich sollten wir alle das Barbecue am Strand genießen und uns auf den morgigen Tag mit den Lovina Delfinen freuen, aber es klappt nicht. Zu emotional waren die heutigen Erfahrungen, die auch den stärksten Mann berühren.
Wie fast jeden Tag wurden wir sehr zeitig geweckt. Gegen 5 Uhr fuhren wir in eine Stadt nahe des Vulkans Ijen und wechselten zu Jeeps, meinen neuen Lieblingsgefährten. Diese brachten uns in das ca. einstündige entfernte Ijen, einen Vulkan Ost-Javas, der zuletzt im Oktober aktiv war und zu Sperrung des Flughafen Balis geführt hat. Auch jetzt spielt der Vulkan Rinjani auf der Nachbarinsel Lombok verrückt und veranlasst die Öffnung und Schließung des Flughafens in Denpasar. Mal schauen, ob ich nächste Woche überhaupt nach München zurückkomme. Naja, es könnte mich schlechter treffen und einige Tage länger in Bali sind auch nicht verkehrt.
Auf dem heutigen Programm stand Trekking auf dem Vulkan und der Besuch des türkisblauen Schwefel-Sees.
Nach der fehlgeschlagener Bromo-Wanderung, war ich bereit den Ijen zu besteigen. Da ich keine ordentlichen Wanderschuhe besitze (fatal bei einer Indonesienreise) mussten meine Converse herhalten. Eine Entscheidung, die ich später mehrfach bereute. Der Pfad zum Krater ist in drei Etappen aufgeteilt: Steil, Megasteil und Flach. Die „drei“ Kilometer haben es jedoch in sich und ich habe schon so einige Wanderer fallen gesehen (inklusive mir). Voller Energie mache ich mich als Erstes auf den Weg und merkte nach nur ca. 5 Minuten, dass das ein Kampf werden wird. Der Pfad ist zwar breit genug, aber je höher wir kommen, desto staubiger und trockener wird er. Entgegen kommen uns immer wieder Schwefelarbeiter, die auf zwei Bambuskörben bis zu 80 kg Schwefel transportieren. Wenn Sie Glück und Geld haben, können Sie sich eine Schubkarre leisten, die ungefähr 100.000 Rupiah ( 60 € ) kostet und bis zu 200 kg Schwefel abbauen und transportieren. Der Pfad ist EXTREM Steil, und an einigen Stellen muss ich mich am Rand an Wurzeln festhalten und wirklich mit mir kämpfen die 3 Kilometer zu gehen.
Unterwegs kommen uns Bezwinger entgegen und motivieren uns mit „Es sind nur noch 45 Minuten bis zur Spitze“, oder “ Gleich hast du es geschafft!“. Als ein Junge mit Krücken entgegen kommt, packt mich mein Mut und ich gebe meine letzte Energie den Vulkan zu besteigen. Wenn ein Junge auf Krücken dies schafft, dann schafft eine Mai das auch. Dasselbe habe ich mir damals in Saigon geschworen, als mich eine 70-Jährige Oma auf einem Moped überholt hat. Aufgeben oder Weitergehen? Natürlich Weitergehen! Einen Popo-Krampf, zwei Wasserflaschen, und 70 Minuten später stehe ich mit meinen Kameraden auf am Krater des Vulkans. Ein fauliger Eiergestank kommt uns entgegen und wir packen unsere „Ärzte-Ohne-Ahnung“-Masken aus. Immer mehr Schwefelarbeiter kommen uns entgegen und sind trotz all der Anstrengung immer freundlich und entgegen mir mein „Selamat Pagi“ (Guten Morgen) mit einem Lächeln. Die Körper sind dünn und nur voller Sehnen und Muskeln. Am Rücken hat sich eine extreme Verkrustung gebildet, die die Arbeiter für immer entstellt. Sie sind alle nicht größer als ich und dunkel von der feurigen Sonne. Sie sind zwischen 25 und 45 Jahre alt und haben Ihr Leben lang nichts gelernt außer Schwefel abbauen und den Berg runter transportieren. Tag für Tag. Jahr für Jahr. Ihnen ist nicht bewusst, dass Sie Ihre Gesundheit und Ihr Leben auf Spiel setzten. Und wenn Sie es wissen, so können Sie nichts dagegen tun. Oder besser gesagt, Sie wissen nicht was Sie machen sollen. Eine Familie wartet daheim und muss ernährt werden. Ohne Geld und Bildung, bleibt Ihnen ein sicherer Bürojob verwehrt. Harte Köperliche Arbeitet, wird gut bezahlt, jedoch zu welchen Kosten? Wer ernährt die Familien, wenn der Vater unter der Last des Schwefels zusammenbricht? Wer bezahlt die Krankenhauskosten, wenn er ausrutscht und sich was bricht? Es ist ein Teufelskreis.
Je mehr ich darüber erfahre, desto geschockter bin ich. Warum hilft Ihnen keiner? Warum baut der Staat keine Seilbahn? Warum?
Wir sind hier in Asien, und da ist es anders. Der Staat hat kein Geld hier zu investieren und außerdem verlieren viele Arbeiter Ihren Job, wenn hier modernisiert wird, sagt man. Die Touristen kommen doch wegen den Schwefelarbeitern.
Bitte was? Ich komme sicherlich nicht, um den armen Menschen beim Leiden zuzusehen. Aber es gibt Sie – die Gaffer – die Menschen, die Bilder von den Arbeitern machen und sich nicht mal bereit erklären 10 Cent zu spenden.
Was sollen die armen Arbeiter machen? Sich beschweren?
Immer wieder begegne ich auf meinen Reisen Touristen, die sich zu fein sind zu helfen. Sie übernachten in den besten Hotels, essen vorzügliches Essen, gönnen sich Ihre Asienreise, aber weigern sich auch nur einen Bruchteil Ihres Geldes für gute Zwecke zu spenden. Auch wenn ich als Touristikerin nicht ein Vermögen verdiene, so zeige ich diesen Menschen gegenüber meinen Respekt und versuche so gut wie möglich zu helfen: mit Essenspenden, Freundlichkeit und einer kleiner finanziellen Geste.