Kapitel 1: Goodbye Germany
Nach meinem Studium wusste ich nichts mit mir anzufangen. 3 Jahre meines Lebens habe ich auf den Tag gearbeitet mein Bachelorzeugnis in den Händen zu halten und endlich ein neues Kapitel aufzuschlagen. Studium fertig, frisch auf dem Arbeitsmarkt, gute Einstiegsmöglichkeiten. Ja als Absolvent denkt man gleich, dass man der oder die Größte ist. Ich habe ja schließlich studiert, denken wir alle. Ich steige mit mindestens 50.000 € ein, sonst arbeite ich doch nicht. Doch sieht die Realität anders aus. Viele Absolventen hängen gleich einen Master dran, weil Sie nichts mit sich anfangen zu wissen. Sie hoffen, dass Sie sich dann für einen besseren Job qualifizieren oder von der Masse hervorheben können. Wir Bachelor-Absolventen steigen in den wenigsten Fällen direkt mit so viel Gehalt ein und arbeiten uns langsam hoch. Was berechtigt einem Hochschulabgänger dieses Einstiegsgehalt zu verlangen? 7 Semester BWL, Statistik, Steuerlehre und Excel? Sicherlich nicht.
Arbeitgeber werden dir Fragen stellen, auf die du nicht gut vorbereitet sein wirst. Wovon profitiert die Firma, wenn wir Sie einstellen? Was legen Sie in die Waage? Sie können doch nichts als ein paar Praktika, wo Sie nur Kaffee gekocht haben und keine Verantwortung getragen haben, vorweisen. Werkstudentin? Ok, das ist schon etwas Interessantes doch zählt das nicht als vollwertige Berufserfahrung. Wenn Sie die Wahl zwischen einem Absolvent und Jemanden mit Berufserfahrung haben, fällt die Entscheidung doch leicht.
Nun, ich habe mich gegen ein Master-Studium entschieden, denn ich war nicht die beste fleissigste Studentin. Lieber habe ich drei Jobs neben dem Studium gehabt, um mir meine Reisen zu finanzieren und zwei Wochen vor den Klausuren gelernt. Ich war vielleicht zu 25 % anwesend und habe mein Studium mit gut bestanden. Mich hat nie jemand nach meinem Abschluss gefragt. Wichtig waren bis jetzt nur meine Berufserfahrungen (5 Jahre Gastronomie + Auslandserfahrungen in London und Asien) und meine Zielkenntnisse (komplett Südostasien). Auch ich habe ganz klein angefangen und mich langsam nach oben gearbeitet. Wer kann schon behaupten geschäftlich so oft nach Asien zu verreisen? Oder die schönsten Luxushäuser zu testen?
Nun denn, das fing wohl alles damit an, dass ich eine Absage aus London bekommen habe. Ja leider, ich weiß, aber ich bin relativ froh, dass mich dieses deutsche Unternehmen nicht genommen hat. Sonst säße ich jetzt im langweiligen Harrow fest und würde Pauschalreisen für Großbritannien erstellen.
Eines Abends überlegte ich was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Noch zwei Jahre Masterstudium? Welches Fach? Nein Danke! Ich hab genug vom Lernen und Abschreiben. Ich will unabhängig sein. Nicht noch bei Mama und Papa wohnen. Mein Leben leben!
Also setzte ich mich vor meinen Imac und surfte drauf los.
Google. Weit Weg. …. hm bringt nichts … nochmal … Google. Asien. Praktikum.
Aha! Leider waren die meisten Stellen nur für immatrikulierte Studierende ausgeschrieben und ich war bereits exmatrikuliert. So ein …. auch. Naja probieren wir es doch mal mit was Spezifischen.
Google. Destinationsmangement. Asien.
OHA! Das ist doch was! Warte … Was bedeutet Destinationsmanagement Mae?
Destinationsmanagement oder auch Incoming Agentur ist ein Unternehmen, dass ausländische Touristen (zum Beispiel Europäer oder Amerikaner) empfängt und betreut. Wenn du also eine Reise bei Tui oder Meier’s buchst, dann arbeiten Sie mit sogenannten DMCs (destination management companies) zusammen, die Ihnen Reisepakete zusammenstellen.
Ich beschäftigte mich immer mehr mit der Materie und fand es richtig interessant. So interessant, dass ich beschloss mich initiativ bei einigen Agenturen zu bewerben.
Nach 10 Bewerbungen erhielt ich eine Woche später eine Rückmeldung einer in Bangkok sitzenden Agentur. Und zwar von ICS Travel Group, einer der großen Player in Asien. Leider haben Sie zu dieser Zeit einen Praktikanten (Hi Andy:D ) gehabt, sodass Sie mich nicht nehmen konnten, aber Sie haben eine Zweigstelle in SAIGON und benötigen im Customer Relations eine deutschsprachige Praktikantin. Am nächsten Tag fand dann auch per Skype das Vorstellungsgespräch mit meiner zukünftigen Chefin statt.
Die Zusage folgte dann auch bald und ich war einfach nur happy. Leider waren meine Eltern das nicht. Ausgerechnet Saigon hat sich Ihre Tochter ausgesucht. Dort ist es gefährlich und die Menschen nehmen dich sowas von aus. Mein Vater war not amused. Gemeinsam mit meiner Mama und Schwester konnte ich meinen Vater überzeugen mich gehen zu lassen. Er hängt etwas an seinen beiden Mädchen. Umso mehr an mir, weil meine Schwester erst 2 Jahre zuvor aus Kanada zurück kam (Work & Travel).
So ging es für mich Mitte November 2013 ins weit entfernte Saigon, wo ich seit über 7 Jahren nicht mehr gewesen bin. So lange habe ich meine Großfamilie nicht mehr gesehen. Doch dies sollte sich mit dem Kapitel Vietnam schlagartig ändern.
Kapitel 2: Goodmorning Saigon
Nach der ersten Eingewöhnungswoche ging alles Schlag auf Schlag. Ich freundete mich mit all meinen Kolleginnen an und verbesserte mein Vietnamesisch drastisch. Wir fingen zwischen 8 und 9 an zu arbeiten, machten um 12 Uhr unsere Siesta (inklusive Nickerchen) und abends ging es zum Schneckenessen-und Biertrinken auf die Straße.
Am Wochenende besuchte ich abwechselnd meine Familien. Samstag war für Ba Ngoai (mütterlicherseits) und Sonntag für Ba Noi (Väterlicherseits) reserviert.
Und der Rest der Woche war für meine neuen Freunde. Diese lernte ich kennen, als ich mich freiwillig für ein soziales Projekt meldete. Anh Khoa, ein Expat aus Toronto mit vietnamesischen Wurzeln zog vor einem Jahr nach Saigon und brachte wöchentlich den bedürftigen Kindern, Jugendlichen und Studenten Englisch bei. Hierfür suchte er ein paar Freiwillige, da er alleine nicht alles koordinieren konnte. Zu dem ersten Treffen kamen ich und ein Englisch-Vietnamese (sagt man das überhaupt?) aus London. Wir trafen dort auch auf Anh Don, auch aus Toronto, der jedoch kein Vietnamesisch sprach, da er kurz nach Geburt von einer kanadischen Familie adoptiert wurde. Gemeinsam mit Anh Khoa, Anh Don, Huy, em Huyen und mir zogen wir das Projekt „Teaching English“ auf und ich gebe zu, dass es wahnsinnig viel Spaß gemacht hat, den Kindern Englisch beizubringen. Wöchentlich trafen wir uns nach der Arbeit im Distrikt 4 (ehemaligen Drogendistrikt, etwas Ghetto) und unterrichteten diese fleissigen Schüler.
Besonders eine Schülerin bleibt mir in Erinnerung. Nennen wir Sie mal Phuong. Phuong zog vom Land (bei Hanoi) nach Saigon, um zu arbeiten und ihre Familie zu ernähren. Sie hat 8 Geschwister und Ihre Mutter ist krank. Sie arbeitet Tag und Nacht um Ihre Familie durchzuboxen, doch es reicht nicht. Es reicht nicht für Medikamente, Nahrung und Kleidung. Darum zog Phuong in die Stadt, um dann wöchentlich das Geld nach Hause zu schicken. Aber für ein Zug/Flugticket reicht es nur einmal im Jahr und zwar an Tet. Dann kann Sie für zwei Wochen nach Hause reisen und Ihre Familie sehen. Phuong wohnt nicht in der Nähe des Distrikt 4. Sie wohnt außerhalb in Distrikt 11. Für unseren Unterricht und die Arbeit läuft Sie eine Stunde pro Weg. Damit Sie Englisch lernen kann.
Eines Tages kam Sie nicht mehr. Sie musste nach Hause kehren, weil Ihre Mutter im Sterben lag. Ihr könnt euch ausmalen, was aus der armen Phuong wurde. Anfang 20, bildhübsch und 7 kleine Geschwister daheim. Das ist das Schicksal vieler Vietnamesen.
Die wöchentlichen Englischklassen wurden mit Barbecue-und Bierabenden kombiniert, sodass ich mindestens zwei Mal mit der Gruppe unterwegs war. Sei es zum Feuertopfessen, Barbecue oder einfach nur Biertrinken. Wir genossen das Leben in Saigon sehr.
Kapitel 3: Schillerndes Saigon – eine Stadt zwischen Moderne und Tradition
Saigon ist „wie Bangkok auf Steroide“. Die größte Stadt des Landes zählt mit mehr als 8 Mio. Einwohnern zu der Megametropole des Südens und ist Anziehungsmagnet für Vietnamesen und Touristen. Da das Moped das Hauptfortbewegungsmittel Asiens ist, kann man sich vorstellen wie der Verkehr dort ist. Überall sind Mopeds, Roller, Motorräder und Fahrräder. Es wird gehupt, falsch abgebogen und nicht geblinkt. Einfach verrückt! Einer meiner Lieblingsbeschäftigungen war vom Cafe auf den Verkehr zu schauen. Und den Touristen, die sich nicht trauten, die Straße zu überqueren. Wer braucht da noch Fernsehen, wenn er Live TV hat. Wenn Ihr Lernen wollt, wie man in Saigon fährt, dann lest euch meinen Guide hier durch.
Wie man eine Straße in Südostasien überquert:
Der Zaubertrick heißt „Augen zu und durch!“. Schaue nach rechts und links, ob ein BUS oder TAXIkommt (Busse sind gefährlich). Wenn nicht, gehe LANGSAM und STETIG über die Straße. BLEIBE NICHT STEHEN oder lauf zurück, denn das könnte dein Todesurteil bedeuten. Die Fahrer umfahren dich,sobald du langsam deinen Weg andeutest. Sobald du Panik bekommst, ist es zu spät. P.S: Bei Bussen niemals rübergehen. Sie halten nicht. Niemals.
Saigon ist nicht die schönste Stadt. Überall liegt Müll, es ist laut und die Luft ist schmutzig. Es wird gehupt und überall sind Zweiräder. Junge Menschen sitzen auf Ihren Rollern und benutzen die neusten Handies, während ältere Herren auf dem Gehweg sitzen und Mahjong spielen. Doch genau das macht Saigon aus. Es ist eine Stadt, die lebt. Eine Stadt, die auf der einen Seite seine kleinen Pagoden und Tempel hat und auf der anderen Seite Luxushotels und moderne Wolkenkratzer. Es ist meine Stadt und ich liebe Sie über alles.